Julia Miosga, Bereichsleiterin Handel & Logistik, Bitkom e. V.

 

Keine Frage: Das Internet hat den Handel in den vergangenen Jahren ordentlich aufgemischt. Fast alle Internetnutzer shoppen heute auch online. Neben Kleidung, Büchern oder Elektrogeräten werden dabei auch immer häufiger Lebensmittel, Blumen oder Drogerieartikel per Mausklick gekauft, also Produkte, die bis vor kurzem noch quasi als letzte Bastionen des stationären Handels galten. Nicht nur der kleine Buchladen an der Ecke hat somit Kundschaft ans Netz verloren. Auch der regionale Weinhändler, der Florist oder das Möbelhaus bekommen die Konkurrenz zu spüren. Die Digitalisierung ist für sie eine Herausforderung, bietet aber noch mehr Chancen, wenn man sich darauf einlässt und bereit ist, diese zu ergreifen.

Gefährdet sind dagegen vor allem diejenigen, die sich an überkommene Konzepte klammern und hoffen, dass dieser Sturm namens E-Commerce vorübergehen wird. Gewinnen werden diejenigen, die sich auf Neues einlassen. Der Aufbau eines Online-Shops ist dabei nur ein erster Schritt: Niemand hindert den Weinhändler daran, seine Produkte digital auch  bundes- oder sogar weltweit zu vertreiben und vielleicht sogar eine App mit Hintergrundinfos zu Rebsorten und Rezeptvorschlägen anzubieten. Immer wichtiger wird zudem die digitale Erweiterung des Ladenkonzepts – zum Beispiel mit mobilen Smartphone-Guides, die den Kunden dorthin lotsen, wo die Beutel zum gerade gekauften Staubsauger liegen. Der mittelständische Küchenhändler kann sein Ladenkonzept digital erweitern, damit der Kunde seine neue Küche vor Ort gleich am Tablet planen kann. Und speziell Bekleidungshäuser punkten, wenn sie die Möglichkeit anbieten, online bestellte Ware im Geschäft abzuholen beziehungsweise umzutauschen. Und umgekehrt ist es für manche bislang reinen Online-Händler sinnvoll, einen Showroom einzurichten, in dem die Ware angeschaut und getestet werden kann, auch wenn sie dann per Post zum Kunden kommt.

Und das sind nur einige Beispiele analog und digital miteinander zu verknüpfen. Der Einsatz moderner Technologien ist dabei ein notwendiges, aber kein hinreichendes Erfolgskriterium. Entscheidend ist, dass der Kunde ein größtmögliches Maß an Komfort und Transparenz erlebt. Einfach ausgedrückt geht es darum, dem Kunden das Beste „aus beiden Welten“ zu bieten und zwar möglichst nahtlos und ohne Brüche zwischen den Kanälen. Die rasante Verbreitung von Smartphones hat dazu geführt, dass die Kunden je nach Bedarf zwischen analogen und digitalen Shoppingkanälen hin- und herwechseln. Der Kunde, der ins Geschäft kommt, hat sich schon online die Laufschuhe ausgesucht oder vergleicht im Geschäft per Smartphone Preise. Kurzum: Der Einkaufsprozess verläuft kreuz und quer über digitale und analoge Kanäle hinweg. Darauf sollten sich Händler einstellen.

Dafür braucht es nicht immer gleich riesige Investitionen. Gefragt sind vor allem Kreativität und der Mut, Neues auszuprobieren – und im Zweifel auch wieder zu verwerfen zugunsten einer besseren Idee. Das Internet verändert sich und den Handel ständig, der stationäre Handel sollte bei diesem Wandel nicht nur  zusehen, sondern mit anpacken und ihn gestalten.

Der Bitkom-Leitfaden zum Cross-Channel-Commerce ist unter folgender Adresse abrufbar: https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Cross-Channel-Commerce-Strategien-und-Technologien-fuer-erfolgreiche-Digitalisierung-im-Handel.html

Bitkom vertritt mehr als 2.400 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, davon gut 1.600 Direktmitglieder. Sie erzielen mit 700.000 Beschäftigten jährlich Inlandsumsätze von 140 Milliarden Euro und stehen für Exporte von weiteren 50 Milliarden Euro. Zu den Mitgliedern zählen 1.000 Mittelständler, 300 Start-ups und nahezu alle Global Player. Sie bieten Software, IT-Services, Telekommunikations- oder Internetdienste an, stellen Hardware oder Consumer Electronics her, sind im Bereich der digitalen Medien oder der Netzwirtschaft tätig oder in anderer Weise Teil der digitalen Wirtschaft. 78 Prozent der Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland, jeweils 9 Prozent kommen aus Europa und den USA, 4 Prozent aus anderen Regionen.

 


Über die Autorin Julia Miosga

Julia Miosga ist Diplom-Kulturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Politikwissenschaften. Miosga war lange Jahre in der freien Marktwirtschaft im Key Account Management sowie Business Development für Provider von IT, Hardware und Software as a Service tätig. Neben der Ausstattung von Mega-Datenzentren für Global Player ist sie Expertin für elektronische Datenkommunikation und -sicherheit sowie Managed Hosting Services.

Seit 2015 ist Julia Miosga beim IT-Branchenverband Bitkom, dem Bundesverband Informationstechnologie, Telekommunikation und Neue Medien e.V., tätig und dort für die digitale Transformation in den Branchen Handel & Logistik verantwortlich.

Zu ihren Tätigkeiten gehören neben der politischen Interessensvertretung der Logistik und des Handels die Beobachtung digitaler Trends und disruptiver Technologien, die Entwicklung und Veröffentlichung von Leitlinien sowie der Ausbau von Kooperationen mit weiteren Marktteilnehmern entlang der gesamten Digital Supply Chain.